Martin Veigl | Heribert Friedl
Mediale Entgrenzungen
3.4. – 28.8.2019
Bei aller Unterschiedlichkeit basieren die in der Ausstellung präsentierten Werke von Martin Veigl und Heribert Friedl doch auf demselben Grundprinzip. Sie gewinnen Spannung aus der Verquickung von Gegensätzen. Abstraktion und Gegenständlichkeit, Wort und Bild, Natur und Kunst treffen aufeinander, interagieren miteinander und verwandeln Ausgangsmaterialien wie Fotos, Wörter oder Äste in Übersetzungen, die das Wortwörtliche verlassen oder überbieten, um damit unverhofften Sinn zu generieren.
In Martin Veigls Arbeiten wird Fotografie nicht einfach in Malerei übersetzt. Vielmehr durchdringen die beiden Medien einander. Während der Fotorealismus die Übersetzung von einem in das andere allenfalls in Format und Oberflächenhaptik verfremdet – wobei Letztere schon selten gewollt sein dürfte –, seinen stärksten Witz aber aus einem Modus nobilitierender Selbstversklavung zieht, wird das Fotografische in Veigls Transpositionen dem Malerischen förmlich ausgeliefert, von ihm zerstückelt, ohne dass dabei die Bilder ihre Ganzheitlichkeit einbüßen müssten.
In der Serie Potpourri wird Figürliches stets unvermittelt, aber in gezielten Schnitten von gestisch-abstrakten Passagen oder dem rohen Bildträger durchsetzt, nicht aber verletzt. Den Figuren liefert die eingestreute Abstraktion vielmehr einen tragfähigen Grund, der auch verschmilzt, was ursprünglich aus unterschiedlichen Bildquellen stammt. Aus den rein malerisch verknüpften Teilen ergeben sich fiktive Szenarien, deren Komposition durch die zentrifugalen Kräfte der figural umgesetzten Positionen, Blick- oder Bewegungsrichtungen, die nach allen Seiten aus den bildlichen Zusammenhängen hinaus verweisen, dynamisiert werden. Flüchtigkeit kennzeichnet die Arrangements, Anonymität die darin handelnden Personen, welche in Kleidung und Accessoires passend zu ihrer Vereinzelung wie Touristen anmuten.
Im neuesten Zyklus Overflow lässt Veigl das Figürliche ganz im Abstrakten aufgehen, legt damit den Fokus auf die Charakteristik seiner Malerei als fortwährendes Strömen und Ineinanderfließen. Die Malerei wird zur Widerspiegelung ihrer selbst. Es verwundert nicht, dass diese Bilder wie Abbildungen flüssiger, reflektierender Oberflächen wirken. In beiden Werkblöcken wird Transitorisches im Moment gebannt – ein Umstand, der den Bildern schaden würde, verhielten sich die fetzig eingestreuten Teile nicht so freundlich dem vorübergehend Instabilen gegenüber, sind sie doch in eine Pinselschrift gebettet, die – kontrolliert und doch fluid – selbst als Strom der Ereignisse anzusprechen ist.
Ein ähnlich labiles Gleichgewicht unterschiedlicher Charakteristiken kennzeichnet auch die ganz anders geartete, buchstäbliche Schriftlichkeit in Heribert Friedls Arbeiten der Serie four character words. In ihrer zweizeilig gebauten, quadratisch geschlossenen Blockhaftigkeit rekurrieren sie auf das allgemein bekannte, in ungezählten Versionen verbreitete Werk LOVE von Robert Indiana, der die vier Buchstaben in knalligem Rot ins Bild bzw. zwischen grün oder blau gefärbte Flächen gesetzt hat. Das sich daraus ergebende diffizile Wechselspiel zwischen nicht näher kontextierter Schrift und konkretem Hard Edge hat bei Friedl freilich an Spannung zugelegt. Ein aus dem Lot geratenes Raster bestimmt das Dispositiv der Einzelteile, das Aufweichen strenger Norm ihr Potenzial, unterschiedliche Buchstaben des Alphabets zu meinen, Text in Bild zu transponieren. Wie beim Morsen ein anscheinend vermindertes Taktgefühl für jene Nuancen sorgt, aus denen sich dann ein Sinn erschließt, entsteht aus der Wackligkeit der sich scheinbar gerade erst formierenden Balken, aus dem Bruch gleichförmiger Kontinuität und aus der Abfolge unterschiedlicher Formen und Farben eine ungefähre Ähnlichkeit zu Buchstaben: mit dem Beigeschmack von Devianz, was gut zur subkulturellen Färbung vieler der ins Spiel gebrachten Worte passt. Die Zeichen muten an, als wären sie aus halbtransparenten Streifen rasch zusammengesetzt worden. Als hätte jemand Zeit, nicht aber an Direktheit sparen wollen, ordnen sie sich einer Plakativität unter, die erst auf den zweiten Blick ihre herstellungstechnische Raffinesse erahnen lässt.
Friedls soulsticks verbinden das in keine künstlerische Form gezwungene Naturhafte gefundener, entrindeter und sonnengetrockneter Äste mit einer streifenförmig grellen Fassung, die an Farbmarkierungen erinnert, wie sie etwa auch elektrische Widerstände zeigen. Allerdings werden die Naturstücke damit nicht einfach qua Bemalung codiert, auf eine bestimmte Bedeutung reduziert. Die Polarität von Natürlichkeit und Schema bleibt intakt. In ihrer Urwüchsigkeit und buntfarbigen Gestaltung ähneln die Stecken eher Spielzeugen, rufen Zeiten wach, zu denen Dinge magisch waren, gewissermaßen eine Seele hatten. Die Transposition von Natur in Kunst vertraut dabei auf eine Form des Rückbezugs, die ganz unwillkürlich und spontan einsetzt, dabei freilich vor dem inneren Auge neu erstehen lassen kann, was sich einem willentlichen Erinnern längst verschlossen hätte, ähnlich wie das teegetränkte Stück Madeleine bei Marcel Proust.
Ulrich Tragatschnig
WERKE: MARTIN VEIGL
MARTIN VEIGL
Geboren in Steyr 1988
lebt und arbeitet in Stadt Haag
2012–2016 Universität für angewandte Kunst Wien, bei Johanna Kandl, Gerhard Müller und Henning Bohl
2008–2014 Kunstuniversität Linz
2011–2012 Willem de Kooning Academy Rotterdam
Preise, Stipendien und Residency
2018/2019 Nominierung STRABAG Artaward International
2018 Finalist beim Phönix Kunstpreis (DE)
2016 Artist in Residence – Projektraum Albrechtsfeld
Ausstellungen
2019
Art Austria, Galerie Gerersdorfer, Gartenpalais Liechtenstein, Wien (in Planung)
Mediale Entgrenzungen, Galerie Schnitzler und Lindsberger, Graz
Rendezvous, Schloss Ulmerfeld, Amstetten
2018
Neighbourhood Report, Vysoèina Regional Gallery, Jihlava (CZ)
12th Young Art Auction, Artcare, Kunstraum Nestroyhof, Wien
Linzer Kunstsalon, Galerie in der Schmiede, Landesgalerie Linz
abstrakt.figurativ, Sammlung Urban, Waidhofen an der Ybbs
Kunstpreis Lentos Freunde 2018, Lentos Kunstmuseum, Linz
25 Visionen, Galerie Gerersdorfer, Wien
Art Austria, Galerie Gerersdorfer, Gartenpalais Liechtenstein, Wien
Potpourri, Galerie Gerersdorfer, Wien (Solo)
2017
Handmade in Austria, Galerie H, Schloss Ennsegg, Enns
YAA 2017, Artware, Novomatic Forum, Wien
Linzer Kunstsalon, Galerie in der Schmiede, Landesgalerie Linz Straßetella, Galerie in der Schmiede, Pasching/Linz
Dem Himmel näher, Blau-Gelbe- Galerie St. Peter in der Au Landpartie, Galerie Gerersdorfer, Wien
urban life, Galerie Gans, Wien Art Austria, Galerie Gerersdorfer, Gartenpalais Liechtenstein, Wien
2016
pas de deux, Blau-Gelbe-Galerie St. Peter in der Au
urban theatre, Galerie Gerersdorfer, Wien (Solo)
Konstruierte Masse, Ausstellungszentrum Heiligenkreuzerhof, Wien
Sommer-Frische, Galerie H, Gartenhaus, Steyr (Solo)
Kunstpreis Lentos Freunde 2016, Lentos Kunstmuseum (Auditorium), Linz
Ei oder Henne, at1, Wien
8. NV Art Foundation, Niederösterreichische Versicherung, St. Pölten
Art Austria, Galerie Gerersdorfer, Leopold Museum, Wien
2015
viennafair, Galerie Gerersdorfer, Wien
Linzer Kunstsalon, Galerie in der Schmiede, Landesgalerie Linz
YAA 2015, Artware, Albertina, Wien Schlawiener, Loft 8, Wien
eins. zwei. besser!, UBIK Space, Wien (Solo)
Faszination:Mensch, Blau-Gelbe- Galerie St. Peter in der Au
2014
Vorsicht Glas #5, Glasmalerei Geyling, Wien
junge fünfzehn, Kunstverein Mistelbach
Die Zukunft der Malerei, Essl Museum, Klosterneuburg bei Wien
WERKSCHAU des 6. Stocks, Universität für angewandte Kunst Wien
Ochs am Berg, Stadtgalerie Waidhofen an der Ybbs (Solo)
ALLES MALEREI !, Blau-Gelbe- Galerie Weistrach
Sammlungen
Sammlung Essl
Sammlung der Niederösterreichischen Versicherung
Sammlung Hypo NÖ
Sammlung Urban
Sammlung des Landes Niederösterreich
HERIBERT FRIEDL
Geboren in Feldbach 1969
lebt und arbeitet in Wien
1994–1998 Universität für angewandte Kunst Wien (Bildhauerei)
1998 Diplom mit Auszeichnung
1999 Preisträger beim Förderungspreis des Landes Steiermark für zeitgenössische bildende Kunst
2005 Gründung des CD-Labels nonvisualobjects
2009 Preisträger beim 31. Österreichischen Graphikwettbewerb
2010 Universalmuseum Joanneum Preis
2013 Preisträger beim 33. Österreichischen Graphikwettbewerb
2017 Beginn: Lehrtätigkeit an der Universität für angewandte Kunst Wien
Seit 1998 als freischaffender Künstler tätig.
Die Arbeiten wurden bisher in vielen Ländern Europas, den USA, Kuba und Australien gezeigt.
Ausstellungen/ Projekte/ Soundperformances (Auswahl)
Fundacao Calouste Gulbenkian, Lissabon (PT),
Centro Provincial de Artes Plásticas y Diseño, Habana (CUB)
steirischer herbst, Graz
Kunstverein Arnsberg (DE)
Bruce Castle Museum, London (GB)
Kunsthalle Exnergasse, Wien
free manifesta, Frankfurt/Main (DE)
Neue Galerie Graz
POST Gallery, Los Angeles (US) raum, Bologna (IT)Stift Admont
Genia Schreiber University Art Gallery, Tel Aviv (IL)
Neue Sächsische Galerie, Chemnitz (DE)
Kunstverein Villa Rot, Burgrieden (DE)
Südtiroler Kulturinstitut, Bozen (IT)
Kunstverein Ingolstadt (DE)
MASS MoCA, North Adams, Massachusetts (US)
Kallmann-Museum, Ismaning (DE)
Kulturzentrum Minoriten, Graz
Forum Stadtpark, Graz
Galerie hanfweihnacht, Frankfurt/ Main (DE)
Kunsthalle Kiel (DE)
Espace Beaumont (LU)
Winzavod – Center for Contemporary Art, Moskau (RU)
Galerie im Taxispalais, Innsbruck Christine König Galerie, Wien
Netwerk, Aalst (BE)
Kunsthalle Wien
Salzburger Kunstverein Stadtgalerie Saarbrücken (DE)
Künstlerhaus – Halle für Kunst & Medien, Graz
Galerie Krome, Berlin (DE)
OÖ Kulturquartier, Linz
Museum Folkwang, Essen (DE)